Erlebnisbericht von Günter (gofive)

 
„Schuldlastumkehr“ mit Spätfolgen
 
Unter Spätfolgen kann sich ja jeder etwas vorstellen. Aber was ist „Schuldlastumkehr“?
Da, wie uns der Wortsinn eröffnet, Spätfolgen erst später, sozusagen nach Abschluss einer Handlung eintreten, beginnen wir mit der „Schuldlastumkehr“. Das heißt, wir beginnen mit einer kurzen Einleitung, die uns in Folge die Unverzichtbarkeit der „Schuldlastumkehr“ für eine ganz spezielle gesellschaftliche Randgruppe aufzeigt, nicht ohne auf den warnenden Hinweis eventueller Spätfolgen zu verzichten.
„Biker“ ist der gebräuchliche Sammelbegriff für all jene, die Freude am Motorradfahren haben. Sicher keine Randgruppe!
Verfeinert man die Selektionskriterien dieses Sammelbegriffs aber in typische Unterrubriken wie Sportler, Tourer, Offroader oder Fighter, filtert dann die Markenjunkies wie Italobiker, Reiskocher, Boxerfreunde oder Harleyfahrer heraus und wirft zum Schluss noch einen Blick auf gesellschaftliche und familiäre Lebenssituationen, landet man sehr schnell bei den schon angesprochenen Randgruppen wie zum Beispiel den
ü50 Familienvätern, die als knieschleifende Fireblader unterwegs sind.
Einer Spezies, der ich angehöre und die, wie ich meine, ihr Hobby nicht ohne die Kunst der „Schuldlastumkehr“ betreiben kann.
„Was haltet Ihr von einer Stammtischtour zum Forumstreffen 2008?“, war die lapidar hingeworfene Frage eines Koblenzer Stammtischkollegen. „Wir könnten doch mit dem Stammtisch ne Wochenendtour zum Härtsfeld machen.“
Solche Vorschläge kommen erfahrungsgemäß von den knieschleifenden Fireblader, die die Kriterien ü50 und Familienvater nicht erfüllen.
Natürlich bekommen solche Vorschläge breite Zustimmung und natürlich wecken solche Vorschläge Begehrlichkeiten. Und natürlich wollte auch ich mit und zwar das ganze Wochenende.
Aber Wochenenden der oben beschriebenen Randgruppe sind nie ehegattenfrei, bescheren regelmäßig Familienfeiern zu denen man einlädt oder eingeladen wird, überraschen ständig mit Besuchen die zu einem kommen oder von einem erwartet werden und sind immer von Kinder belegt, die wo hin gefahren oder wo abgeholt werden müssen.
Also wie, wie verdammt nochmal bringe ich dass hin?
Alle Ehemänner, in eheähnlichen Verhältnissen lebende oder einfach im weiteren weiblichen Einfluss Stehende werden das bestätigen können.
Folgerichtig ging mein erster Versuch, der Frontalangriff, auch kläglich daneben:
"Schatz, ich fahre in 14 Tagen mit den Koblenzern zum Firebladetreffen!", war meine klare, unmissverständliche Ansage, die ich sicherheitshalber ganz beiläufig und kaum hörbar beim Verlassen des Hauses vor mich her brummelte. In der sicheren Annahme, dass meine Frau das niemals gehört haben kann und ich mich im Büro nicht den ganzen Tag mit der Sorge, eine unwiderrufliche Abfuhr zu erhalten, rumquälen musste.
„Hast Du sie noch alle auf der Reihe!“, war die liebevolle, fast 30 Ehejahre widerspiegelnde Begrüßung meiner Frau, als ich abends nach Hause kam.
Der durch diesen Empfang ausgelöste erst Schock, dauerte leider noch nicht einmal lange genug, die kurze, mit Nachdruck vorgetragene Wochenendplanung vollständig zu überhören: „ … muss gestrichen werden, wenn Du den Zaun repariert und den Rasen gemäht hast.“
Mir war sofort klar, dass das die letzten Fragmente einer mehrere Tage beanspruchenden Arbeitsanweisung waren. Eine Wochenend-Ehemann-Todo-Liste, vor deren umgehender Erledigung weiter Gedanken an Moped-Träumereien nur Schuldgefühle in mir hervorrufen mussten.
Schuldlastumkehr! Wie ein Blitz schoss mir der Gedanke durch den Kopf. Schuldlastumkehr, das ist es, damit komm ich durch, war ich mir plötzlich sicher und dachte an den weisen Rat eines befreundeten Beziehungsprofis. Der hatte mir das „Schuldlastumkehrprinzip“ in einer e-mail genauestens beschrien. Ich muss einfach seine klaren Anweisungen Schritt für Schritt umsetzen:
„Phase I: Vom Büro nach Hause fahren, Wagen zwei Straßen weiter abstellen und leise in den Hof schleichen. Handbremse am Wagen der Ehefrau lösen (Gang wird ja grundsätzlich nicht eingelegt – das hat sie jetzt davon) und Wagen mit einen kleinen Stoß in Richtung Straße anschieben. Leichte Berührung des Nachbarzauns sind nicht wirklich problematisch und können das Vorhaben positiv unterstützen.
Phase II: In einem sicheren aber nahe der Haustür liegenden Versteck warten, bis die ersten Nachbarn hupend und kopfschüttelnd auf die „Straßensperre“ aufmerksam machen und, weil Ehefrau natürlich nicht mitbekommt dass sie Quell allen Ärgers ist, wütend und schreiend an der Haustür klingeln. „Ach du meine Güte, wie konnte denn dass passieren“, wird Ehefrau sagen, während sie peinlich berührt die Tür öffnet und den Ernst der Lage zu erkennen beginnt. Der schlagartig einsetzende Stress führt zu eingeschränkter Wahrnehmung und alle weiteren Aktivitäten sind fokussiert auf die Schadensbegrenzung. Ehefrau läuft sofort zu ihrem Auto.
Phase III: Jetzt ist Eile angesagt. Die kurze Abwesenheit muss ausgenutzt werden, um die vollständige Schuldursache herbei zu führen. Also ab in die Küche, alle Herdplatten auf Stufe III, Wasser voll aufdrehen und Mixer eingeschaltet in die Teigschüssel. Küche sofort und ohne weiteren Kontrollblick (ist absolut nicht notwendig) in Richtung eigenes Auto verlassen.
Phase IV: Einige Minuten warten bis sicher ist, dass Ehefrau mitten in der „selbstverschuldeten“ Küchenkatastrophe steht. In aller Regel ist die „Schuldlastumkehr“ jetzt vollständig abgeschlossen und mit dem nötigen Feingefühl kann nahezu jedes Ziel erfolgreich umgesetzt werden.“
Ich also nach Hause, direkt ins Wohnzimmer - auf keinen Fall darf ich von dem Küchenchaos etwas wissen – und sofort losgejammert: „Schatz, ich muss gleich wieder weg zum Firebladestammtisch und den Jungs sagen, dass ich auf keinen Fall das Wochenende mit fahren kann. Du hast ja so recht! Bei soviel Arbeit ein ganzes Wochenende wegfahren ist einfach unverantwortlich.“
„Ach weist du, ich hab mir überlegt, dass ich am Wochenende dringend das Haus putzen müsste und da stehst du mir doch nur im Weg rum. Fahr ruhig mit!“, war ihre „überraschende“ Antwort.
Schuldlastumkehr!!! Ich war schon unterwegs zu den Jungs.
Freitag, 22.05.2008, 7:30: Bestens gelaunt seht ein Mitglied der Randgruppe ü50, Familienvater und knieschleifender Fireblader im Schlafzimmer und packt die letzten Sachen für ein supergeiles „Fireblade-Forumstreffen-bei-uns-in-Härtsfeld“.
So, fast fertig, denke ich und packe nur noch meine Unterhosen, das Stammtisch T-Shirt und mein Portemonnaie in die obere Tasche meines Rucksacks.
8:30 Uhr, los geht’s!
Um 9:00 Uhr muss ich in Isenburg sein!
Also ab auf die Autobahn und mal kurz den Rucksack bei 270 in den Wind gehalten. Blöde Autofahrer, ärgere ich mich über die Autofahrer, die wie wild mit der Lichthupe hinter mir her blinken, nur weil ich mit der Blade mal etwas zügiger an denen vorbei fliege.
9:05 Uhr! Geschafft!
Sind zwar alle schon da, aber 5 Minuten ist noch in der Zeit und für ne Zigarette reicht‘s alle mal.
Also absteigen, Rucksack ab und … scheiße!!!
Fliegende Unterhosen!!! Das war der wirkliche Grund der wilden Lichthuperei auf der Autobahn.
Mein schönes Stammtisch T-Shirt war auch weg. Und wer sich an meinen kurzen Packbericht erinnert wird wissen, dass in dem vom Fahrtwind geöffneten Fach natürlich auch mein Portemonnaie war.
Genau: WAR!!!
Glück im Unglück: Tabak hatte ich in einem anderen Fach und die Zigarette war jetzt mehr als angesagt.
Nach einer tollen Anfahrt dank super Guiding durch unsere Odenwälder Stammtischkollegen sind wir auf kurvenreichstem Weg im Härtsfeld angekommen und hatten ein tolles Wochenende mit viel Spaß.
Allerdings störte es mich am zweiten Tag schon etwas, nach dem Duschen in die einzig verbliebene, „gut gebrauchte“ Unterhose schlüpfen zu müssen.
Die Aussicht, von „gut gebraucht“ über „sehr gut gebraucht“ bis …
Den finalen Zustand dieses Bekleidungsstückes wollte ich mir an dieser Stelle nicht wirklich vorstellen. Also bat ich Bine, unsere tolle Gastgeberin, mir ein paar neue Unterhosen zu besorgen, was Ihr Mann Rolfi netterweise beim samstäglichen Einkauf in perfekter Weise erledigte:
Er kaufte mir als Repsol-Fahrer eine paar Unterhosen, die bei näherer Betrachtung durchaus als „Repsol-Unterhosen“ durchgehen.
Ihr werdet es gleich sehen!
Zuhause angekommen, mit letzter Kraft aus der Kombi geschält, stand ich nun da, wie Gott mich schuf nur bekleidet durch Rolfis „Repsol-Unterhosen“.
Die ungläubigen Blicke meiner Frau zählen sicher zu den „unvergesslichen Momenten einer Ehe“.
„Entweder du hast ne Freundin mit einem seltsamen Geschmack für Unterhosen oder dein Motorradtick hat dich vollends in den Wahnsinn getrieben. In beiden Fällen müssen wir dringend zur Eheberatung“, lacht sie lauthals los.
Nachtrag:
Soweit die wahre, nein, fast wahre Geschichte. Wahr ist, dass ich Weichei mich einfach nicht getraut habe, das, den wahren Eheprofi auszeichnende, „Schuldlastumkehrprizip“ wirklich anzuwenden. Stattdessen habe ich meiner Frau die E-Mail meines Freundes mit der oben beschriebenen Handlungsanweisung gezeigt, worauf sie herzhaft lachend meinte: „dann fahr halt mit, du bist ja doch ein hoffnungsloser Fall.“
Und die Spätfolgen:
Indirekt hat die „Schuldlastumkehr“ ja hervorragend funktioniert, ich liebe meine Frau mehr denn je und meine Fireblade fahre ich nur noch in diesen „Repsol-Unterhosen“:

 

Wichtige Links:

Danke an Honda Motor Europe (North) GmbH!

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