Die Geschichte von Honda - Soichiro Honda

 
Die Menschen in der Region Chubu in der Mitte von Japans Hauptinsel Honshu sind bekannt für ihr feuriges Temperament. Vielleicht ist das der Grund, warum Soichiro Honda, gerne "Shacho-San (Mister Boss)" genannt, stets voller nervöser Aktivität war. Und vielleicht war er auch deshalb ein "extrovertierter Nonkonformist, wie er sich selbst gerne bezeichnete. Doch die Begeisterung für Technik, die ihm den Weg zum bedeutenden Motorenhersteller ebnete, wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Er hat sich selbst zum japanischen Henry Ford gemacht.
Für die Bewohner des kleinen Chubu-Ortes Komyo - weitab vom Weltgeschehen - ist der 17.11.1906 ein Tag wie jeder andere. nicht so für den Schmied Gihei Honda und seine Frau Mika: Ihr erster Sohn erblickt das Licht der Welt. Sie nennen ihn Soichiro. Das erste, was Soichiro-San fasziniert, ist elektrisches Licht, das in seinen Kinderjahren Komyo erobert. Und die Ausflüge enden immer am gleichen Ziel: in einer Reismühle. Denn dort arbeitet der einzige Motor weit und breit.
1915 tuckerte endlich das erste Auto durchs Dorf. Der achtjährige Soichiro bestaunt das ölleckende Wunder, ein Ford T-Modell, und steckt die Nase in eine zurückgebliebene Öllache. Er zieht den "Duft" bis in letzte Lungenbläschen, er schmiert sich die Arme mit dem schwarzen Gold ein. Es riecht nach Technik.
Pech für Honda: Die Schule beschäftigt sich mit anderen Dingen. Er schwänzt oft, will die Dinge lieber durch Sehen und Fühlen lernen als durch Pauken und Vorbeten. Da hilft er schon lieber im Laden seines Vaters aus, der nun Fahrräder herstellt.
1922 zieht es ihn in die Welt - nach Tokio. Er bewirbt sich auf eine Anzeige als Aushilfe in einem Autoreparaturbetrieb der Kette Arto Shokai. Und er wird genommen - für 1,25 Dollar im Monat.
Das Glück scheint von kurzer Dauer: Im September 1923 zittert die Erde: Das große Erdbeben legt Tokio in Schutt und Asche. Die kleine Arto-Shokai-Werkstatt brennt restlos aus, nur zwei Mechaniker kehren wieder an ihre Arbeitsstätte zurück: Der älteste Lehrling und Soichiro Honda.
Wenn schon ein Erdbeben Honda nicht aufhalten kann, was dann? 1925 wird er Rennfahrer, als er eigenhändig auf ein Mitchell-Fahrgestell von 1916 einen Curtis-Wright-8,0-Liter-V8-Flugmotor baut. Mit 100 PS im Rücken bei 1400 Umdrehungen lebt er seinen Traum. Was er verdient, spart er eisern.
Bis 1928. Da entlässt sich Honda in die Selbständigkeit. In Hamamatsu, nahe Komyo, eröffnet er seine eigene Arto-Shokai-Filiale. Das Geschäft läuft so gut, dass er sechs Jahre später die Tokai Seiki Company gründet, um Kolbenringe herzustellen. Doch das Material ist den Belastungen nicht gewachsen.
Honda gibt nicht auf. Er besucht 1935 die Technische Hochschule in Hamamatsu und passt besonders bei Metallkunde gut auf. Im Sitz eines Rennwagens erholt er sich vom Lernen, bis er ein Jahr später dabei schwer verunglückt. Die Karriere als Rennfahrer ist damit vorbei, die als Geschäftsmann beginnt: Am 20. Oktober 1937 hält er seinen ersten Standfesten Kolbenring in den Händen.
Doch der Mann, der kleine Probleme hasst und seine ganze Energie zur Lösung der großen aufbietet, hat bald von Kolbenringen genug. Er will vollständige Motoren bauen. 1945 kauft Toyota ihm die Kolbenring-Firma ab, so dass er ein Jahr später die Honda Technical Research Laboratories gründen kann. Ein hochtragender Name für eine kleine Firma: Honda baut winzige Mikuni-Motoren in Fahrräder ein. Pro Tag entsteht ein Motorfahrrad. Die billigen Geräte werden ihn aus den Händen gerissen.
Der Vorrat an Mikunis ist bald aufgebraucht. Honda setzt nun alles auf eine Karte: Seine gesamten Ersparnisse gehen bei der Entwicklung eines einzigen 50-Kubik-Motors drauf. Er nennt ihn Type A: Magnetzündung, Schiebevergaser, Riemenantrieb. Da es kaum Benzin dafür gibt, kauft er sich einen Pinienwald, streckt das Benzin mit Baumharz und gewinnt so eine Art Terpentin. Tatsächlich nehmen die Motoren den Saft an - es stinkt, es qualmt, aber sie laufen.
Und wieder beweist Honda eine feine Nase für die Bedürfnisse seiner Landsleute. In Japan gibt es fast keine Transportmöglichkeiten. Da gründet er gemeinsam mit Takeo Fujisawa am 24. September 1948 die Honda Motor Company mit umgerechnet 2000 Mark. Er produziert das Motorrad Type B mit 90 Kubik, das sofort zur Basis für Transporter aller Art avanciert. Es folgen der Dream D mit drei PS und erstmals einem bequemen Sattel, 1951 der Dream E als Viertakter. 72 km/h Spitze, 146 Kubik, drei obenliegende Ventile. Die Konkurrenz verzweifelt daran, viele müssen aufgeben. Honda baut 130 Stück pro Tag.
1954 wird ein kleiner Mann bei der Tourist Trophy in England gesichtet. Die Beine zu kurz, der Körper zu lang. Immer ein spitzbübisches Grinsen um die Mundwinkel. Ein typischer Japaner, bis auf die extrovertierten Klamotten: ausgesprochen modisch. Er sondiert die Motorradszene in Europa und besichtigt sein eigenes Rennteam bei dieser Motorrad-Veranstaltung. Der kleine Mann grinst nicht lange: Die Gileras und NSU-Maschinen stampfen Hondas Stolz in Grund und Boden. Das will der Mann aus Tokio nicht auf sich sitzen lassen. Er gibt Rennmaschinen in Auftrag und setzt noch einen obendrauf: Autos will er auch noch bauen, verkündet Honda.
Vier Jahre später steht seine TT-Antwort auf den Rädern: Die Honda Cub C100. Nicht nur die Maschine verhilft ihm zum Durchbruch (bis heute 26 Millionen gebaute Exemplare), sondern auch der dazugehörige Werbespruch: "Die nettesten Leute triffst du auf einer Honda."
Doch auch die Konkurrenz schläft nicht: Hondas Maschinen verlieren immer noch. Das wurmt ihn, lähmt ihn aber nicht: 1959 gründet er die erste Niederlassung in Übersee (USA), 1961 die erste in Deutschland. Und endlich kann Soichiro Honda wieder lachen: Im selben Jahr erringen seine Maschinen der ersten fünf Plätze bei der Tourist Trophy, sowohl in der 125er- als auch in der 250er- Klasse.
Im Oktober 1962 präsentiert er seine ersten Autos: den Pkw S 360 und den Lastwagen T 360. Ein Jahr später beginnt Honda mit dem kleinen Sportwagen S 500 die automobile Massenfertigung: 136 Wagen im selben Jahr.
Nun ist der Japaner nicht mehr zu bremsen. Bereits 1964 - Honda produziert in diesem Jahr gerade einmal 5210 Autos - schickt er einen Formel-1-Boliden ins Rennen. Nur ein Jahr später gewinnt sein F-1 erstmals einen Grand Prix - den in Mexiko. 1966 feiert die Motorradabteilung ihre Übermacht: In allen fünf Klassen sitzen die Weltmeister auf Honda-Maschinen.
Der Name Honda ist in aller Munde, und Soichiro-San nutzt das geschickt aus. Er präsentiert 1967 den Pkw N 360 mit 31 Ps. Für alle Japaner, die vom Zweirad auf ein Auto umsteigen wollen. 87 000 Pkw verlassen die Werkshallen in diesem Jahr. 1969 schiebt er den Honda 1300 hinterher, einen Wagen mit der von ihm favorisierten Luftkühlung. Dazu gesellt er die sensationelle CB 750 Four: das erste Modell mit quer eingebautem, luftgekühltem Vierzylindermotor, das erst in Grosserie gebaute Sportmodell der Welt. Honda läutet damit die Big-Bike-Ära ein.
Bis 1971 testet Honda seine Autos noch selbst. So zum Beispiel den Honda Civic, der 1972 auf den Markt kommt. Sein CVCC-Schichtladenmotor wird als technischer Leckerbissen gefeiert - er ist besonders abgasarm.
1972 setzt sich honda im Alter von 67 Jahren zur Ruhe. Genüsslich erlebt er den Erfolg der Honda GL 1000 GoldWing (1975), die Zusammenarbeit mit Rover (1979), das von Honda weltweit erste eingebaute Navigationssystem (1981), den Durchbruch des Honda Accord (ab 1982) , den sechsfachen Gewinn des Formel-1-Konstrukteurstitels (1986 bis 1991), den weltweit ersten Motor mit variablen Ventilsteuerzeiten (VTEC, 198 , das erste Vollaluminiumauto der Welt (Honda NSX, 1990).
Im August 1991 stirbt Soichiro Honda. Er hat aus dem Nichts einen der bedeutendsten Motorenhersteller der Welt geformt und den siebtgrößten Autohersteller. 90000 Mitarbeiter werkeln in 95 Produktionsstätten, verteilt auf 34 Länder. Pro Jahr verlassen 5,5 Millionen Motorräder, 2,3 Millionen Autos und drei Millionen weitere Produkte seine Fabriken.
So etwas ist nur mit viel feurigem Chubu-Temperament zu schaffen.