Die Geschichte von Honda

 

Die Geschichte von Soichiro Honda

Die Menschen in der Region Chubu in der Mitte von Japans Hauptinsel Honshu sind bekannt für ihr feuriges Temperament. Vielleicht ist das der Grund, warum Soichiro Honda, gerne "Shacho-San (Mister Boss)" genannt, stets voller nervöser Aktivität war. Und vielleicht war er auch deshalb ein "extrovertierter Nonkonformist, wie er sich selbst gerne bezeichnete. Doch die Begeisterung für Technik, die ihm den Weg zum bedeutenden Motorenhersteller ebnete, wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Er hat sich selbst zum japanischen Henry Ford gemacht.
Für die Bewohner des kleinen Chubu-Ortes Komyo - weitab vom Weltgeschehen - ist der 17.11.1906 ein Tag wie jeder andere. nicht so für den Schmied Gihei Honda und seine Frau Mika: Ihr erster Sohn erblickt das Licht der Welt. Sie nennen ihn Soichiro. Das erste, was Soichiro-San fasziniert, ist elektrisches Licht, das in seinen Kinderjahren Komyo erobert. Und die Ausflüge enden immer am gleichen Ziel: in einer Reismühle. Denn dort arbeitet der einzige Motor weit und breit.
1915 tuckerte endlich das erste Auto durchs Dorf. Der achtjährige Soichiro bestaunt das ölleckende Wunder, ein Ford T-Modell, und steckt die Nase in eine zurückgebliebene Öllache. Er zieht den "Duft" bis in letzte Lungenbläschen, er schmiert sich die Arme mit dem schwarzen Gold ein. Es riecht nach Technik.
Pech für Honda: Die Schule beschäftigt sich mit anderen Dingen. Er schwänzt oft, will die Dinge lieber durch Sehen und Fühlen lernen als durch Pauken und Vorbeten. Da hilft er schon lieber im Laden seines Vaters aus, der nun Fahrräder herstellt.
1922 zieht es ihn in die Welt - nach Tokio. Er bewirbt sich auf eine Anzeige als Aushilfe in einem Autoreparaturbetrieb der Kette Arto Shokai. Und er wird genommen - für 1,25 Dollar im Monat.
Das Glück scheint von kurzer Dauer: Im September 1923 zittert die Erde: Das große Erdbeben legt Tokio in Schutt und Asche. Die kleine Arto-Shokai-Werkstatt brennt restlos aus, nur zwei Mechaniker kehren wieder an ihre Arbeitsstätte zurück: Der älteste Lehrling und Soichiro Honda.
Wenn schon ein Erdbeben Honda nicht aufhalten kann, was dann? 1925 wird er Rennfahrer, als er eigenhändig auf ein Mitchell-Fahrgestell von 1916 einen Curtis-Wright-8,0-Liter-V8-Flugmotor baut. Mit 100 PS im Rücken bei 1400 Umdrehungen lebt er seinen Traum. Was er verdient, spart er eisern.
Bis 1928. Da entlässt sich Honda in die Selbständigkeit. In Hamamatsu, nahe Komyo, eröffnet er seine eigene Arto-Shokai-Filiale. Das Geschäft läuft so gut, dass er sechs Jahre später die Tokai Seiki Company gründet, um Kolbenringe herzustellen. Doch das Material ist den Belastungen nicht gewachsen.
Honda gibt nicht auf. Er besucht 1935 die Technische Hochschule in Hamamatsu und passt besonders bei Metallkunde gut auf. Im Sitz eines Rennwagens erholt er sich vom Lernen, bis er ein Jahr später dabei schwer verunglückt. Die Karriere als Rennfahrer ist damit vorbei, die als Geschäftsmann beginnt: Am 20. Oktober 1937 hält er seinen ersten Standfesten Kolbenring in den Händen.
Doch der Mann, der kleine Probleme hasst und seine ganze Energie zur Lösung der großen aufbietet, hat bald von Kolbenringen genug. Er will vollständige Motoren bauen. 1945 kauft Toyota ihm die Kolbenring-Firma ab, so dass er ein Jahr später die Honda Technical Research Laboratories gründen kann. Ein hochtragender Name für eine kleine Firma: Honda baut winzige Mikuni-Motoren in Fahrräder ein. Pro Tag entsteht ein Motorfahrrad. Die billigen Geräte werden ihn aus den Händen gerissen.
Der Vorrat an Mikunis ist bald aufgebraucht. Honda setzt nun alles auf eine Karte: Seine gesamten Ersparnisse gehen bei der Entwicklung eines einzigen 50-Kubik-Motors drauf. Er nennt ihn Type A: Magnetzündung, Schiebevergaser, Riemenantrieb. Da es kaum Benzin dafür gibt, kauft er sich einen Pinienwald, streckt das Benzin mit Baumharz und gewinnt so eine Art Terpentin. Tatsächlich nehmen die Motoren den Saft an - es stinkt, es qualmt, aber sie laufen.
Und wieder beweist Honda eine feine Nase für die Bedürfnisse seiner Landsleute. In Japan gibt es fast keine Transportmöglichkeiten. Da gründet er gemeinsam mit Takeo Fujisawa am 24. September 1948 die Honda Motor Company mit umgerechnet 2000 Mark. Er produziert das Motorrad Type B mit 90 Kubik, das sofort zur Basis für Transporter aller Art avanciert. Es folgen der Dream D mit drei PS und erstmals einem bequemen Sattel, 1951 der Dream E als Viertakter. 72 km/h Spitze, 146 Kubik, drei obenliegende Ventile. Die Konkurrenz verzweifelt daran, viele müssen aufgeben. Honda baut 130 Stück pro Tag.
1954 wird ein kleiner Mann bei der Tourist Trophy in England gesichtet. Die Beine zu kurz, der Körper zu lang. Immer ein spitzbübisches Grinsen um die Mundwinkel. Ein typischer Japaner, bis auf die extrovertierten Klamotten: ausgesprochen modisch. Er sondiert die Motorradszene in Europa und besichtigt sein eigenes Rennteam bei dieser Motorrad-Veranstaltung. Der kleine Mann grinst nicht lange: Die Gileras und NSU-Maschinen stampfen Hondas Stolz in Grund und Boden. Das will der Mann aus Tokio nicht auf sich sitzen lassen. Er gibt Rennmaschinen in Auftrag und setzt noch einen obendrauf: Autos will er auch noch bauen, verkündet Honda.
Vier Jahre später steht seine TT-Antwort auf den Rädern: Die Honda Cub C100. Nicht nur die Maschine verhilft ihm zum Durchbruch (bis heute 26 Millionen gebaute Exemplare), sondern auch der dazugehörige Werbespruch: "Die nettesten Leute triffst du auf einer Honda."
Doch auch die Konkurrenz schläft nicht: Hondas Maschinen verlieren immer noch. Das wurmt ihn, lähmt ihn aber nicht: 1959 gründet er die erste Niederlassung in Übersee (USA), 1961 die erste in Deutschland. Und endlich kann Soichiro Honda wieder lachen: Im selben Jahr erringen seine Maschinen der ersten fünf Plätze bei der Tourist Trophy, sowohl in der 125er- als auch in der 250er- Klasse.
Im Oktober 1962 präsentiert er seine ersten Autos: den Pkw S 360 und den Lastwagen T 360. Ein Jahr später beginnt Honda mit dem kleinen Sportwagen S 500 die automobile Massenfertigung: 136 Wagen im selben Jahr.
Nun ist der Japaner nicht mehr zu bremsen. Bereits 1964 - Honda produziert in diesem Jahr gerade einmal 5210 Autos - schickt er einen Formel-1-Boliden ins Rennen. Nur ein Jahr später gewinnt sein F-1 erstmals einen Grand Prix - den in Mexiko. 1966 feiert die Motorradabteilung ihre Übermacht: In allen fünf Klassen sitzen die Weltmeister auf Honda-Maschinen.
Der Name Honda ist in aller Munde, und Soichiro-San nutzt das geschickt aus. Er präsentiert 1967 den Pkw N 360 mit 31 Ps. Für alle Japaner, die vom Zweirad auf ein Auto umsteigen wollen. 87 000 Pkw verlassen die Werkshallen in diesem Jahr. 1969 schiebt er den Honda 1300 hinterher, einen Wagen mit der von ihm favorisierten Luftkühlung. Dazu gesellt er die sensationelle CB 750 Four: das erste Modell mit quer eingebautem, luftgekühltem Vierzylindermotor, das erst in Grosserie gebaute Sportmodell der Welt. Honda läutet damit die Big-Bike-Ära ein.
Bis 1971 testet Honda seine Autos noch selbst. So zum Beispiel den Honda Civic, der 1972 auf den Markt kommt. Sein CVCC-Schichtladenmotor wird als technischer Leckerbissen gefeiert - er ist besonders abgasarm.
1972 setzt sich honda im Alter von 67 Jahren zur Ruhe. Genüsslich erlebt er den Erfolg der Honda GL 1000 GoldWing (1975), die Zusammenarbeit mit Rover (1979), das von Honda weltweit erste eingebaute Navigationssystem (1981), den Durchbruch des Honda Accord (ab 1982) , den sechsfachen Gewinn des Formel-1-Konstrukteurstitels (1986 bis 1991), den weltweit ersten Motor mit variablen Ventilsteuerzeiten (VTEC, 198 , das erste Vollaluminiumauto der Welt (Honda NSX, 1990).
Im August 1991 stirbt Soichiro Honda. Er hat aus dem Nichts einen der bedeutendsten Motorenhersteller der Welt geformt und den siebtgrößten Autohersteller. 90000 Mitarbeiter werkeln in 95 Produktionsstätten, verteilt auf 34 Länder. Pro Jahr verlassen 5,5 Millionen Motorräder, 2,3 Millionen Autos und drei Millionen weitere Produkte seine Fabriken.
So etwas ist nur mit viel feurigem Chubu-Temperament zu schaffen.

 

Honda in der Formel 1

"Erfolg kommt nur durch Nachdenken und dauernde Anstrengung". Getreu Soichiro Hondas Motto gehen seine Ingenieure 1978 verbissener denn je ans neue Formel-1-Projekt. Zu mickrig waren die Erfolge von 1964 bis 68 (2 Siege).
Das Comeback startet 1980 mit einem 2,0-Liter-Sechszylindermotor in der Formel 2. Und mit einem Schock: hoher Topspeed, aber miese Beschleunigung. Honda denkt noch mehr nach, strengt sich noch mehr an: verbessertes Einlasssystem 1981 Gewinn der Formel-2-Titel in Europa und Japan.
Doch der Aufstieg mit dem zum 1,5-Liter-Turbo umgestrickten V6 in die Formel 1 fällt schwer: 1983 sieben schwache Auftritte mit dem alten F-2-Partner Spirit.
1984 mit dem erfahrenen Chassis-Bauer Williams ein Glückssieg und viele, viele Kolbenfresser.
Einzeln gekühlte Zylinder und "intelligentere" Motorenelektronik bringen 1985 die Wende, 1986 den ersten Konstrukteurs-, 1987 dazu den ersten Fahrer-WM-Titel. Je vier weitere Folgen mit dem neuen McLaren: 1988 wieder mit dem V6-Turbo, 1989790 mit dem V10, 1991 mit dem V12 - beides 3,5 Liter Saugmotoren.
1992 hat McLaren-Honda nicht mal mit Superstar Senna eine Chance gegen das neue aktives Radaufhängungssystem von Wiliams-Renault. Immerhin gelingt im allerletzten Formel-1-Rennen der 71. Honda-Sieg (Berger). Seither gab es noch zwei: 1996 mit Ligier in Monte Carlo und 1998 mit Jordan in Spa. Im Heck von Panis und Hill steckte unter dem Namen Mugen-Honda eine Weiterentwicklung des alten Werks-V10.
 


Die Titel-Helden

Motorradsport gehört zu Honda wie das Gelbe zum Ei. Firmengründer Soichiro Honda, ein genialer Techniker, der selbst Rennen fuhr, liebte Wettbewerbe nicht nur wegen der Geschwindigkeit, sondern weil er seine Kreationen öffentlich auf den Prüfstand stellen konnte.
Nach Erfolgen auf heimischen Terrain und dem ersten Auftritt in Europa (125er-Mannschaftsmeister bei der Tourist Trophy 1959 auf der Isle of Man) dauerte es
nicht lange, bis die Marke mit dem geschwungenen Flügel eine Größe im GP-Sport wurde. In den sechziger Jahren zogen Stars wie Mike "The Bike" Hailwood, Jim Redman und Luigi Taveri 17 WM-Titel in den Klassen 50, 125, 250 und 350 Kubik ans Land. Den ersten 500er-WM-Titel sollte jedoch erst Reddie Spencer 1983 schaffen. Der "Außerirdische" gewann 1985 für Honda sogar gleichzeitig die Krone in der 250er- und 500er-Klasse.
Heute gilt Hondas NSR 500 unbestritten als beste GP-Rennmaschine. Mick Doohan, soeben zum fünften mal in Folge Weltmeister der Königsklasse geworden, schaffte beim Sachsenring-Rennen bereits den 100. Sieg für diese V4-Zweitakt-Konstruktion. Insgesamt hat Honda bis heute 40 WM-Titel im Grand-Prix-Sport erobert. Zwei davon holten Deutsche: Toni Mang gewann auf einer Werks-Honda 250 (1987) seine fünfte WM-Krone. Dirk Raudies fegte 1993 auf einer Honda RS 125 zum Titel.  Rennsport ist für Honda stets ein High-Tech-Schaufenster gewesen. Die Serien-CBX 1000 von 1978 etwa war eine perfekte Kopie von Hailwoods Sechszylinder-Racern, die NSR 400 von 85 ein Nachbau von Spencers Dreizylindes-Siegerbike. Selbst die Ovalkolben-Technik, die im GP-Sport gescheitert war, wurde im Endurance-Sport salonfähig gemacht. Nach dem Einsatz einer Ovalkolben-750er bei den 24 Stunden von Le Mans erschien eine käufliche NR 750 für die
Strasse.
Schon lange ist die Konstruktion und Produktion der Honda-Rennmaschinen aus dem Mutterwerk ausgegliedert. In Asaka, bei HRC, der Honda Racing Company, arbeiten über 200 Ingenieure an Werks-Rennern für die Topstars und Production-Racern für Kunden. Wäre ein Ende dieser sportlichen Tradition abzusehen - der 1991 verstorbene Soichiro Honda würde sich im Grabe umdrehen.
 



Nach Ende des Zweiten Weltkriegs teilten Deutschland und Japan das gleiche Schicksal: Beide Länder waren zerstört, die Industrie ausgebombt. Es folgte ein sensationeller Wiederaufbau - zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelte sich die Zweiradbranche. Mitte der fünfziger Jahre waren im Bundesgebiet über 2,2 Millionen Kräder registriert, rund 40 Motorradwerke buhlten um die Gunst zahlreicher Kunden. In Japan existierten sogar mehr als 100 Firmen. Hier wie dort sorgten preiswerte, wirtschaftliche Maschinen für volle Kassen der Hersteller. Kaum zehn Jahre später hatte sich der Markt grundlegend gewandelt: In Deutschland sowie in Japan kratzten viele ihr letztes Geld zusammen, um ein Auto zu erwerben. Bei uns überlebten diesen Umschwung nur BMW, Zündapp, Hercules und Maico. Im Land der aufgehenden Sonne blieben bald noch Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki übrig. Und hier endet schon der Vergleich. Bewegte sich das Motorradgeschäft bei uns weiterhin talwärts, so machten sich die vier japanischen Firmen auf, den Weltmarkt zu erobern - allen voran Honda.
Von Hondas wertvollem Renn-Know-how profitierten natürlich auch Entwicklung und Produktion der Serienmaschinen. Längst hatte Soichiro Honda, sich nicht mehr auf die kleinen Klassen beschränkt. Ein richtiges Motorrad musste her. Galten Mitte der Sechziger 500 Kubik als Maß der Dinge, begnügte sich Honda mit nur 450 ccm. Trotzdem, der luftgekühlte Twin der Dream CB 450 hatte es faustdick hinter den Ohren. Eine Sensation im Großserienbau stellten die Innereien des Zylinderkopfs dar. Den Antrieb der beiden obenliegenden Nockenwellen erledigte eine Steuerkette, anstelle üblicher Ventilfedern sorgten Drehstäbe fürs Schließen der jeweils zwei Ventile pro Brennraum.
Gefüttert wurde der Motor von zwei 36er Keihin-Gleichdruckvergasern. Der konstruktive Aufwand sollte sich lohnen: Bei 8500 U/min schickte der Motor 43 PS ans Hinterrad - genug Power, um die knapp 200 kg schwere Maschine auf über 170 Sachen zu beschleunigen. Das waren Fahrleistungen, die 1965 nur Motorräder in der Halbliterklasse zustande brachten. Und weil das schwarze Bike so gewaltig zur Sache ging, hatte es bald seinen Spitznamen " Black Bomber" weg. Europäische, vor allem englische Motorradfirmen waren geschockt. Energisch versuchte sich die Konkurrenz mit den Argumenten, "so ein hochtouriger Motor hält nie! Wer will die komplizierte Technik warten?" und "Ersatzteile gibt es sowieso nicht", zu rechtfertigen. Im Prinzip war das Ende der englischen Motorradindustrie besiegelt; die großen Marken, von BSA bis Velocette, hatten die Weiterentwicklung verschlafen. Aber nicht nur Honda zeigte, wo es langgehen sollte. Auch Suzuki, Kawasaki und Yamaha enthüllten in den nächsten Jahren ein Highlight nach dem anderen.
Der Motor des "Black Bomber" war über jeden Zweifel erhaben, sein Fahrwerk steckte dagegen noch in den Kinderschuhen. Wer die Qualität englischer Chassis gewohnt war, wurde enttäuscht. Die Federung war knüppelhart, die Dämpfung lasch und die Serienbereifung mies. Junge Motorradfahrer, die jedoch zum ersten Mal auf dem Geschoß saßen flippten aus. Sie hatten kaum Vergleichsmöglichkeiten, waren genau die richtige Kundschaft für die CB450. Mit ihr ließ sich je nach Lust und Laune im vierten Gang gemütlich bummeln oder langliegend über die Autobahn bügeln. Wer das Triebwerk sorgfältig warm fuhr, brauchte keine Motorschaden zu fürchten. Aber was noch viel wichtiger war: Der Motor lief vibrationsarm und war vollkommen öldicht! Auch der Komfort überzeugte: ein kurzer Druck auf den Schalter des E-Starters und schon surrte das Triebwerk.
Die Honda CB 450 brachte den Motorradmarkt durcheinander - so wundert es nicht, dasssich ihre Fans in zwei Gruppen spalteten. Die eine wollten mit "modernem Kram" nichts zu tun haben, schworen weiterhin auf ihre "good old british Bikes" oder auf die zuverlässige BMW. Die andere Fraktion vergötterte die japanische Maschine dagegen. Was zählte waren Power und Speed. Haltbarkeit und Zuverlässigkeit waren kein Thema mehr, das Ding hielt einfach. Und der Ruf des Unverwüstlichen sprach sich schnell herum. Motorradfahrer, die eben noch den "Reiskocher" verteufelt hatten, kamen plötzlich mit der CB450 angebraust.
Aufgeschreckt von der japanischen Offensive, schien die englische Motorradindustrie Ende der Sechziger aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht zu sein und präsentierten brandneue 750er. Von BSA gab`s die A 75 R Rocket, von Triumph die T 150 Trident und von Norton die Commando. Aber auch in Italien und Deutschland schien man die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Moto Guzzi baute die V7 und V7 Spezial, BMW setzte seine Boxer-Generation mit der taufrischen R75/5 fort. Gegen diese erwachsenen Donnerbolzen wirkte die Honda CB 450 fast wie ein Exot. selbstgefällig lehnten sich die europäischen Hersteller zurück und waren sicher, es den Japanern richtig gezeigt zu haben.
Doch die nächste Überraschung stand schon vor der Tür: Als Soichiro Honda Ende 1968 in Tokio die CB 750 Four präsentierte, war die Sensation perfekt. Deutlich eröffnete der Firmenboss mit der "Four" die Kampfansage an alle etablierten Motorradhersteller. Die Zweiradpresse überschlug sich, und den Mitbewerbern standen Schweißperlen auf der Stirn. Gegen die neue 750er Honda waren europäische Topmodelle Schnee von gestern. Ihre OHV-Motorkonstruktionen waren stockkonservativ, es gab wirklich nichts, was vom Hocker Riss. Und dann die Honda. Nie zuvor hatte es eine 750er Serienmaschine mit OHC-Vierzylinder-Reihentriebwerk, vier Vergasern, vier Auspuffrohren, 67 PS, rund 200 km/h Spitze und einer hydraulischen Scheibenbremse am Vorderrad gegeben. Doch nicht genug: Honda kaufte sich mit diesem High-Tech-Motorrad zum Dumpingpreis von nur 6500 Mark in die Oberliga ein. BSA und Triumph verlangten für ihre 58 PS starken 750er Triples rund 6300 Mark., die BMW R75/5 mit zivilen 50 PS kostete knapp 5000 Mark, Moto Guzzi setzte die 51 PS kräftigen V7 Spezial mit 5900 Mark an, und wer sich in eine 750er Norton Commando mit 59 PS verliebt hatte, der musste 5300 Mark auf die Ladentheke blättern. Ganz anders im Hause Honda. Die CB 750 Four war für Massenfertigung ausgelegt. Bis zu dieser Zeit wurden bereits über zehn Millionen Motorräder gebaut, eine Million Fahrzeuge gingen in die USA. Mit dem Bigbike wollte Soichiro Honda endgültig den Weltmarkt erobern!
In den USA war die CB 750 Four sofort ein Erfolg, bei uns wussten die Motorradfahrer zunächst nicht so recht, was sie von der neuen Maschine halten sollten. Echte Windgesichter konnten sich kaum vorstellen, wie sie sich bei einer Panne selbst helfen sollten, wie man die vier Vergaser, die vielen kleinen Ventile oder gar die Zündanlage einstellen sollte. Für sie war die Technik zu kompliziert und hatte in einem Motorrad nichts zu suchen. Andere pfiffen auf diese Bedenken und dachten nur ans "Heizen". Endlich gab es ein Motorrad, mit dem sein Fahrer, ohne vorher basteln zu müssen, auf Tour gehen konnte. Dazu kamen die sagenhaften Fahrleistungen: Von Null auf 100 km/h in fünf Sekunden und eine Spitze von 200 Sachen.
Trotz "verspielter Technik" mit obenliegender Nockenwelle, astronomischen Drehzahlen und Bombenleistung blieb der Motor unzerstörbar. Laufleistungen von weit über 100.000km waren keine Seltenheit.
Typisch für die "Four" war ihr Sound. Allerdings nicht serienmäßig: Bei fast allen Bikes wurden die vier kleinen Schalldämpfer aus den Auspuffrohren herausgedreht - denn nur so kam der Vierzylinderton zur Geltung. Es wurde geheizt bis der Asphalt glühte. Das Speedlimit auf Land- und Bundesstraßen bremste die Deutschen erst ab Herbst 1972, und auf den Autobahnen galt sowieso "volles Rohr". Trotzdem konnten sich 750er-Piloten auf ihre Maschine verlassen. Bis 1978 blieb die "Four"-Generation im Programm, über eine Million Maschinen rollten vom Fließband, dann wurde der Dauerbrenner von einer 750er mit DOHC-Vierventilmotor abgelöst.

Ende der sechziger Jahre zeigte sich der deutsche Zweiradmarkt noch immer bewegt. Die europäischen Firmen Kreidler, Zündapp, Hercules, KTM, Jawa, Garelli, Maico und Puch rüsteten ihre Mofas, Mopeds, Mokicks und Kleinkrafträder mit agilen, für manche Mitbürger allerdings nervige Zweitakter aus. Im wilden Gerangel der lärmenden, stinkenden, über sechs PS starken Zweitakt-Kleinkrafträder gab es allerdings eine Ausnahme: die Honda SS 50. Soichiro Hondas Viertaktbegeisterung war hinreichend bekannt. Auch in der kleinen Klasse scheute er sich nicht, die Motoren mit obenliegender Nockenwelle auszustatten. Seine SS 50 erschien 1967 auf dem Markt. Ihr 49-ccm-ohc-Motor leistete sechs PS bei 11.000 U/min, die Maschine sah nicht nur äußert spritzig aus, sie klang auch gut. Genau dieser Motor werkelte auch in Monkey und Dax. Allerdings war er bei den kleinen Hüpfern gedrosselt, und anstelle des Fünfganggetriebes erledigte ein Dreigang-Automatikgetriebe die Gangwechsel.
Gezielt suchte Soichiro Honda Marktnischen, um sie mit neuen Modellen zu füllen. Zum Beispiel die "Mini-Bikes" Monkey und Dax. Der nächste Streich war 1970 das "Fun-Bike" ATC US 90, ein Dreirad mit dicken Ballonreifen, jedoch ohne Straßenzulassung. Für Geländefans präsentierte Honda im Jahr 1972 die "Enduro" SL 250 S (wenig später in XL 250 umbenannt). Das erste Honda-Einzylinder-Offroadbike mit Vierventiltrieb wurde der Vater der kommenden Enduro-Generation. Für Straßensportfans hatte das Werk bald eine interessante Palette anzubieten.
1971 drängte die CB500 Four auf den Markt, aus der 1972 die CB 350 Four und 1974 die schnuckelige CB400 Four mit Vier-in-eins-Auspuffanlage entstanden. Im Prinzip basierten die drei kleine Vierzylindermaschinen auf ihre großen Schwester CB 750 Four. Über jeweils eine obenliegende Nockenwelle wurden via Kipphebel zwei Ventile pro Brennraum aktiviert. Die Hochleistungs-Triebwerke drehen bis 9.500 U/min, hatten aber die Zuverlässigkeit der CB 750 mit auf den Weg bekommen. 1973 war die 34 PS starke CB 350 Four das kleinste serienmäßige Vierzylinderbike der Welt, die CB 400 brachte 37 PS, und die CB 500 stand mit 48 PS ebenfalls gut im Futter. Dank aufwendiger Marketingstudien hatte das Werk stets den richtigen Riecher, vergaß darüber hinaus aber nie, die Qualität zu sichern. Zusätzlich baute Honda in Suzuka eine Test- und Rennstrecke, den Suzuka Circuit. Hondas Strategie ging auf, bis 1970 exportierte er über fünf Millionen Maschinen.
In den siebziger Jahren war für die vier japanischen Motorradhersteller Nordamerika das Absatzland Nummer Eins. Die US-Boys verlangten ständig größere Bikes - und ihre Wünsche fanden Gehör. In einer wahren Modellflut und in gegenseitigem Wettrüsten wurden im jährlichen Rhythmus ständig neue Motorräder kreiert. 1973 fand Honda bei Honda der erste Generationswechsel statt. Soichiro Honda und Takeo Fuijsawa traten vom Firmenvorstand zurück, Kijoshi Kawashima wurde neuer Präsident. Das Firmenkapital betrug mittlerweile 19,48 Billionen Yen, und das Geschäft boomte noch immer. An die deutsche Kundschaft dachte jedoch kaum jemand. Warum auch? Bei uns dümpelte das Motorradgeschäft Anfang der sechziger Jahre am Boden - bis zum Herbst 1972. Jeder der die Branche für tot erklärt hatte, wurde spätestens auf der Kölner IFMA eines besseren belehrt. "Größer, stärker und schneller" - keine Aussage hätte die Show treffender umschreiben können. Allen voran Kawasaki. entgegen der internen Absprache innerhalb japanischer Firmen, keine Maschine über 750 ccm zu konstruieren, präsentierte das Werk die 900 Super 4, kurz "Z1", ein Motorrad der Superlative mit 82 PS und 220 km/h Spitze. Und was hatte Honda dagegenzusetzen? Noch im Dezember 1972 stürzten sich Honda-Versuchsingenieure auf die Herausforderung. geplant war ein Motorrad, das in jeder Hinsicht die sportliche Z1 übertreffen sollte. Die Leitung des Projektes übernahm Soichiro Irimajiri, der bereits 1964 als 24jähriger die sensationelle RC164 konstruiert hatte. So wundert es nicht, dass der Viertaktspezialist wieder ein Sechszylindertriebwerk entwarf. Diesmal allerdings als längsliegendes, flüssigkeitsgekühltes 1470er OHC-Sechszylinder-Boxeraggregat. Mit kommoden 61 PS lief der Sechszylinder seidenweich und verfügte über
ein breites Drehzahlband. Für die schnelle Realisierung des Vorhabens bediente man sich erprobter BMW-Bauteile.
Trotz positiver Testergebnisse sollte die AOK, wie man den Prototyp nannte, nie in Serie gehen. Der "Luxusliner" griff seiner Zeit zu weit voraus. Doch das Projekt Supertourer war damit nicht gestorben. Honda befand sich im Zugzwang, musste mit einem neuen Modell kontern. Und so entstand ein glattflächiger, flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Boxermotor mit 999 ccm, der mit bisher bekannten Motorradtriebwerken wenig gemeinsam hatte. Den Zahnriementrieb für die obenliegende Nockenwelle pro Zylinder hatten die Ingenieure aus dem Pkw-Bau übernommen. Für den Gaswechsel waren pro Brennraum zwei Ventile zuständig, vier 32er Keihin-Gleichdruckvergaser sorgten für die Gemischaufbereitung. Der Kurzhuber leistete stramme 82 PS bei 7.500 U/min, das maximale Drehmoment von 8,2 MKP erreichte der Motor bei 6.500 Umdrehungen.
Als Präsentationsort des neuen Supersporttourers fiel die Wahl auf die IFMA in Köln. Stand bei der Motorradshow 1972 die Kawasaki "Z1" im Rampenlicht, feierte 1974 die Honda GL1000 GoldWing Weltpremiere. Dieser Meilenstein war allerdings nicht makellos. Durch folgenschwere Unfälle aufgrund des schwachen Fahrwerks und damit verbundene
Gerichtsverfahren war das Motorrad in Verruf gekommen. Kein Mensch sprach mehr vom sportlichen Supertourer, die Honda-Leute am allerwenigsten. Und so wurde 1980 aus der agilen GL1000 der Luxustourer GL 1100 GoldWing. Nachdem die GoldWing nun ganz klar als Tourenmotorrad definiert wurde, regte sich plötzlich niemand mehr über zu wenig Schräglagenfreiheit oder über zu hohes Gewicht auf. Die Fangemeinde wuchs ständig; es sollte nicht mehr lange dauern, bis die GoldWing einen ähnlichen Kultstatus eingenommen
hatte, den man von der Traditionsmarke Harley-Davidson kannte.
Keine Meilensteine, aber dennoch zu Dauerbrennern wurden CX 500 und GL 500. Das bei uns als "Güllepumpe" verschriene "hässliche Entlein" war zunächst die CX 500 von 1978. Im Lauf der Jahre wurde sie zur CX 650 und als Ableger zur Silver Wing, erst als GL 500 und später als GL 650. die gerne auch als "kleine Gold Wing" bezeichnet wurde. Highlight in der CX-Generation war 1981 die 82 PS starke CX 500 Turbo.
Mit seiner CB 750 Four leitete Honda ein neues Motorradzeitalter ein. Wenig später waren Vierzylindermotorräder das Maß der Dinge, und zehn Jahre später bei allen vier japanischen Marken sogar ein Muss. Bei Honda lief das Motorradgeschäft auf Hochtouren. Mit 2.639.727 Maschinen setzte das Werk 1978 eine Rekordmarke. Allerdings kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen und genau der richtige Zeitpunkt, ein Brikett nachzulegen. Der Meilenstein für 1979 hieß CBX 1000. Ein Großserienmotorrad mit Sechszylinderreihenmotor, zwei obenliegenden Nockenwellen, Tassenstößeln, 24 Ventilen, 1047 Kubik, 105 PS und 255 Stundenkilometer schnell. Chef des Entwicklungsteams war wieder der begnadete Ingenieur Soichiro Irimajiri. Für jedermann gut sichtbar, hing das "Six-Pack" in einem unten offenen Brückenrahmen. Keine Verkleidung sollte den Blick auf technische Finessen verwehren. Auch ihr Motorsound musste alles dagewesene übertreffen: Der Auspuffton sollte dem Geräusch eines Phantom-Düsenjägers gleichen. Tagelang saßen Techniker an einem japanischen Militärflugplatz und nahmen die Geräuschkulisse des Abfangjägers auf. Das Ergebnis war verblüffend, die CBX klang tatsächlich so! Allerdings nur der Prototyp - den Verkaufmanagern war der Klang zu aggressiv, sie forderten einen Porsche-Sechszylinderton.......
Für die 1979er Saison war die CBX 1000 längst nicht alles, was Honda aus dem Hut zauberte. Mit einer schier unüberschaubaren Flut neuer Modelle von 50 bis 1047 ccm überschwemmten die Japaner den Markt. Es gab kleine und große Chopper, Enduros, Maschinen mit Automatikgetriebe, Touren-, Sport- und Supersport-Motorräder, Mofas und Mokicks. Die "Bol d`Or" löste die legendäre CB 750 Four ab. Mit der DOHC-Vierventilgeneration begann bei Honda ein neues Motorenzeitalter. Der weltgrößte Motorradhersteller sorgte wieder für Überraschungen und Sensationen.
Als die ersten japanischen Zweiräder bei uns gesichtet wurden, handelte es sich zweifellos um günstig hergestellte Massenartikel, doch schnell folgte die Wende vom Billig- zum Qualitätsprodukt. Und als die Japaner sich aufmachten, den Weltmarkt zu erobern, sprach man von der "Gelben Gefahr". Heute ist das Motorradgeschäft ohne japanische Produkte kaum mehr vorstellbar. Schwer zu sagen, was aus dem Zweiradmarkt geworden wäre, wenn es einen gewissen Soichiro Honda nicht gegeben hätte. Im August 1991 starb der unermüdliche Konstrukteur und Firmengründer.